Bayerns Angriff auf die nationale Dominanz

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Offensiv ist der FC Bayern München in dieser Bundesligasaison das Maß aller Dinge und erzielt knapp 121 Punkte pro 100 Ballbesitze. Der Abstand zwischen ihnen auf dem ersten und Ulm auf dem zweiten Platz ist so groß wie der zwischen Ulm und dem MBC auf dem elften Rang. Nur Bamberg schließt effektiver ab (eFG%); die Münchener leisten sich zudem die wenigsten Ballverluste und gehen so oft an die Linie wie kein anderes Team.

Auch defensiv hat Trainer Svetislav Pesic seinem Team eine Philosophie eingehaucht, mit dem es mittlerweile selbst in der Euroleague erfolgreich große Teams verteidigen kann. BBL-intern liegen sie mit 103,8 Punkten pro 100 Ballbesitzen hinter Alba Berlin und Bamberg auf dem dritten Rang, forcieren bei ihren Gegngern vor allem viele Drei-Punkte-Würfe bei schwachen Quoten und kontrollieren den Defensiv-Rebound.

In Pesic’ Team stehen zehn Akteure zwischen 15 und 25 Minuten pro Spiel auf dem Parkett, nur Malcolm Delaney sieht mit 26 Minuten eine etwas größere Einsatzzeit. Die Last wird so gleichmäßig wie möglich auf alle Schultern verteilt. So hat die Führungsetage den Kader vor der Saison zusammengestellt, so wird die Mannschaft der Doppelbelastung gerecht und so kann Bayern in der Liga (fast) jeden Ausfall kompensieren.

Ein Blick auf die Spieler, die sich im Teamverbund herausheben, positiv wie negativ:

Steffen kann‘s noch

„Steffen Hamann? Ehrlich? Wenn der spielt, dann muss Delaney einen schlechten Tag haben.“ (O-Ton jeder, immer) Natürlich ist da was dran. Aber man kann es umformulieren und der Aussage eine völlig neue Bedeutung verleihen: Hat Delaney einmal einen schlechten Tag, kann Pesic sich jederzeit auf seinen Ersatz-Aufbauspieler verlassen.

Pro 100 Angriffe erzielen die Bayern 26,7 Punkte mehr als der Gegner, wenn Hamann den Spielaufbau übernimmt – Spitzenwert im Team. Mit Hamann spielt München schneller (und das schnelle Spiel liegt ihnen), bereitet deutlich mehr eigene Körbe vor und verliert seltener den Ball (ebenfalls alles Spitzenwerte). Von Hamann geführte Aufstellungen nehmen nicht nur die zweitmeisten – vermeintlich einfachen – Würfe unter dem Korb, sondern treffen sie auch am besten und erzielen zudem über einen Viertel ihrer Punkte an der Freiwurflinie. Das sind viele, aber noch nicht einmal alle Superlative. Und, um dem Argument vorzubeugen: Seine 176 Minuten absolvierte der Veteran keinesfalls nur in der „Garbage Time“, wenn die Spiele schon entschieden waren.

Bayern-Lineups Pace OffRtg DefRtg NetRtg AST% TOV% NDA/FGA ND%
mit Hamann 75,8 123,4 96,7 26,7 61,0 14,5 49,3 65,0
ohne Hamann 72,6 118,7 104,0 14,6 54,4 16,3 46,6 56,4

Ob man ihn mag oder nicht, jeder sollte respektieren, dass Steffen Hamann in dieser Saison mit all seiner Erfahrung noch immer guten Basketball spielt.

Benzings großer Sprung

Ja, ich sage es: Benzing spielt das beste Jahr seiner Karriere. Er übernimmt Verantwortung, auch in großen Spielen. Die Übertragungen haben größere Reichweite, auch außerhalb von Deutschland nimmt man ihn wahr. Nicht als den, der er einst werden sollte, aber als tragende Säule eines auch auf internationaler Ebene erfolgreichen Teams.

Benzing ist aggressiver geworden. Endlich zieht er energisch zum Korb und hat gelernt, mit Kontakt abzuschließen. Er überzeugt mitunter als Power Forward, setzt seinen Körper ein und postet auf. Seinen Pump-Fake an der Dreierlinie hat er perfektioniert und trifft nach einem Schritt nach innen sicher aus der Mitteldistanz. Dass seine Verteidiger immer noch auf diese Wurffinte reinfallen, liegt vielleicht daran, dass sein Dreier nach wie vor eine Waffe ist, die er jederzeit einsetzen kann, um den Gegner zu erlegen: Überragende 47 Prozent fallen für ihn von jenseits der Drei-Punkte-Linie (Karrierebestwert).

Auch defensiv übt er großen Einfluss aus. Mit Benzing auf dem Feld produziert München sein bestes Defensiv-Rating, hält seine Gegner bei 95 Punkten pro 100 Ballbesitze. Dank durchschnittlicher Offensive (was bei Bayern immer noch Ligaspitze bedeutet) erzielen sie mit Benzing 26,6 Punkte pro 100 Ballverluste mehr als der Gegner – der zweitbeste Wert nach Hamanns 26,7 Zählern.

Big Bryant nicht so Baby

Dass Bryant nicht an seine Dominanz aus Ulmer Zeiten anknüpfen können würde, war doch klar. Er spielt nicht auf MVP-Niveau, muss er aber auch nicht. In München ist er nicht mehr die zentrale Figur, die er im Schwabenland darstellen musste. Er ist einer unter vielen, kann sich auf seine Wühlbüffel-Qualitäten, sein Rebounding und den erneut starken Dreier konzentrieren. Und jeden Total-Ausfall kann Bayern – zumindest in der Liga – mit der tiefen Rotation auffangen.

Pesic‘ Team verteidigt besser mit als ohne ihn, ist vor allem am defensiven Brett deutlich effizienter und greift 76,8 % aller gegnerischen Fehlwürfe ab (vs. 71 %, wenn Bryant sitzt), offensiv wirft der FCB mit ihm auf dem Parkett seine drittbeste Dreier-Quote (42 % 3FG). Seine individuellen Zahlen sind heruntergegangen, seine Spielzeit aber auch. Ein Umstand, der oft nicht bedacht wird, wenn man ein Urteil auf Basis ebendieser Zahlen fällt.

Djedovic ist angekommen

Obradovic holte Nihad Djedovic im letzten Jahr in die Beko BBL, und bei Alba ließ er sein Können oft aufblitzen. Auf gute Leistungen folgten aber nicht selten Spiele, in denen Djedovic völlig unsichtbar blieb. Die Inkonstanz wurde zur Regel. Unter Pesic gelangt er nun nach und nach zu voller Leistungsfähigkeit. Wegen einer Verletzung verpasste Djedovic in dieser Saison sechs Spiele, startete aber sofort wieder durch, als er zurückkam.

Vor allem, wenn Pesic ihn als nominellen Small Forward auflaufen lässt, schnurrt die Offensive der Münchner. Dann spielen sie unglaublich schnell, verlieren trotzdem kaum den Ball und erzielen 129,6 Punkte pro 100 Ballbesitze – knapp 26 Zähler mehr als der Gegner.

Bayern-Lineups Pace OffRtg
DefRtg NetRtg
mit Djedovic auf SF 78,5 129,6 103,8 25,8
mit Djedovic auf SG 73,1 115,9 105,6 10,3
ohne Djedovic 72,6 120,2 101,2 19,1

 

Staigers Defense

Dass man Klischees, die sich über Jahre ins kollektive Gedächtnis einbrennen, nicht mal so eben abschütteln kann, beweist der Fall Lucca Staiger. Noch immer ist es allgemeingültiger Tenor, dass Staiger offensiv eindimensional und defensiv ein Reinfall sei.

Über Staigers Offensiv-Qualitäten lässt sich streiten, sein Dreier hat aber immensen Einfluss auf Bayerns Spiel. Vor allem in der ersten Saisonhälfte traf Staiger von überall und gegen jeden. Mit seinem Wurf kann er sein Team mittlerweile auch in wichtigen Begegnungen wieder ins Spiel bringen, trifft entscheidende Würfe und fügt sich offensiv effizient in die Rotation ein.

Pesic würde ihn aber nicht über so lange Strecken und in wichtigen Phasen auf dem Feld lassen, wenn er nicht auch verteidigte. Und genau das ist der Punkt: Staiger hat sich aus seiner Rolle erhoben, er verteidigt motiviert in Bayerns Presse und im Mann-gegen-Mann. Natürlich ist er nicht über Nacht zur Liga-Elite emporgeklettert, aber er ist keine so große Gefahr mehr für die Stabilität in der Mannschaftsverteidigung. Im Gegenteil: Mit ihm lässt der FCB 96,4 Punkte pro 100 Ballbesitze zu, ohne ihn 106,1. Das ist das zweiteffizienteste Defensiv-Rating nach dem von Benzing.

Was nicht so läuft

Malcolm Delaney hat seine Qualitäten. Wenn er einen guten Tag erwischt und Bayern Real schlägt, dann wird er auch mal Euroleague-MVP der Woche. An schlechten Tagen aber trifft er gar nichts und ballert trotzdem immer weiter. (Eine Eigenschaft, die Heiko Schaffartzik interessanterweise abgelegt zu haben scheint.) In das Delaney-Bashing würde ich trotzdem nicht bedingungslos einsteigen, denn den „Hero-Ball“, den man ihm oft vorwirft, kann man auch positiv auslegen, indem man anerkennt, dass er Verantwortung übernimmt, die seine Mitspieler oft nur zu gerne abtreten.

Trotzdem muss man sagen, dass er nicht der Point Guard ist, den die Bayern bräuchten. Seine Aktionen sind oft zu wild, den eigenen Abschluss zieht er zu oft dem seiner Kollegen vor. Die Vorbereitungsquote bei den Bayern ist höher, wenn er sitzt. Ebenso die Wurfquoten und die Punkte von der Freiwurflinie (deutlich). Folglich spielt Bayern eine deutlich effizientere Offense ohne ihn. Zumindest den Zahlen nach.

X-Faktor: Punkte nach Ballverlusten

Kein anderes Team ist dem Eindruck nach so effizient im Fast-Break wie die Bayern. Einen Eindruck, den man sich Dank ihres hervorragenden Live-Stream-Angebots nun alle zwei Wochen verschaffen kann.

Zwar gibt es momentan noch keine Zahlen, die Fast-Break-Punkte vollständig widerspiegeln, ein erster Indikator sind aber Punkte nach Ballverlusten. Und da rangiert Bayern ganz vorne, mit 117,6 Punkten pro 100 Ballverlusten mehr als 10 Punkte über dem Ligadurchschnitt. Und die Zahl wird noch beeindruckender, wenn man nur die Punkte nach Steals betrachtet. 136,1 Punkte erzielen sie dann pro 100, der Ligaschnitt liegt gut 20 Punkte darunter.

Punkte aus Ballverlusten Gesamt Rang Live-Ball Rang
Dead-Ball Rang
Bayern 117,6 1. 136,1 1. 101,5 4.
Liga-Schnitt 105,9 118,7 97,8

Gegen Bayern zu gewinnen, ist schwer in dieser Saison. Und erst recht bestrafen sie dich, wenn du ihnen kampflos den Ball überlässt.

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