Für die basketballverrückten Ulmer ist das Pokal-Final-Four sicher mehr Highlight als Rahmenprogramm, spielt man doch in dieser Saison keine besondere Rolle im Konzert der Großen. Mit einem Meistertitel, wahrscheinlich sogar mit einem Halbfinaleinzug wird es wohl auch in den kommenden Playoffs schwierig. (Um es ganz vorsichtig auszudrücken.) Was Ulm aber in Jahr 1 nach John Bryant leistet, ist trotzdem aller Achtung wert.
Nach 26 Spielen steht man mit zehn Niederlagen auf einem sicheren Playoff-Platz, im Eurocup war erst im Achtelfinale gegen Jerusalem Schluss. Und auch ohne ihren zweifachen MVP stellen die Schwaben mit 113,6 Punkten pro 100 Ballbesitze die zweiteffizienteste Offense der Liga. Vor Teams wie Alba, Bamberg, Oldenburg und Quakenbrück (allesamt in der Tabelle vor ihnen platziert) und dank guter Wurfquoten, der Stärke im Offensivrebound, vieler Freiwürfe und weniger Ballverluste.
Leider verteidigen sie nur durchschnittlich, hinter allen Genannten auf Platz 6. Denn irgendwie ist alles, was Ulm defensiv macht, nur durchschnittlich. Vor allem die Schwächen im Defensivrebound und die vielen Punkte, die sie von Außen kassieren, tun ihnen weh. (Mehr dazu später.)
Werfen wir den Blick auf einige Spieler, die sich im Teamverbund herausheben, positiv wie negativ.
Der Glue-Guy
Keaton Nankivils individuelle Zahlen ragen nicht heraus, aber er ist einer von vier Spielern im Kader, die schon im letzten Jahr eine tragende Rolle im Team der Ulmer spielten. Die das Umfeld und die Philosophie des Trainers kennen. Vielleicht ist das der Grund, warum Ulm mit Nankivil auf dem Feld seine effizienteste Offense spielt (112,3 Punkte pro 100 Ballbesitze). Mit ihm trifft Ulm 40 % seiner Dreier, ohne ihn gerade mal 33 %. Ligaweit markiert das ungefähr den Unterschied zwischen Oldenburg als bestem Team aus dem Dreipunktland und Bayreuth an 15. Stelle.
Neben den starken Wurfquoten offensiv zeigt Ulm mit Nankivil auch seine beste Leitung im Defensiv-Rebound, der sonst eher als Schwäche auszumachen ist. Ohne ihn folglich seine schlechteste.
Ulm-Lineups | OffRtg | DefRtg | NetRtg | +/- pro 40 |
mit Nankivil | 112,3 | 102,5 | 9,8 | 7,5 |
ohne Nankivil | 107,7 | 102,8 | 4,9 | 3,7 |
Der Routinier
Auch Adam Hess kann individuell in dieser Saison kaum an seine effizienten Jahre im Artland oder in Hagen anknüpfen. Das Team wird mit ihm dennoch besser, zumindest wenn Leibenath ihn auf Small Forward bringt. Sehr hohe Quoten, sehr gutes Rebounding unter dem eigenen Korb und viele Freiwürfe für eine Top-5-Offense bei einer immer noch überdurchschnittlichen Defense.
Das ist nicht allein sein Verdienst, ohne ihn läuft es aber deutlich schlechter.
Der Abräumer
Wer hätte gedacht, dass Daniel Theis in Ulm fast so viel Spielzeit sieht wie John Bryant in München? In seiner zweiten Saison an der Donau spielt er knapp 20 Minuten pro Spiel, seit Februar sogar knapp 26. Mit 34 Blocks liegt er ligaweit noch vor Spielern wie Bryant oder Vitalis Chikoko auf Platz 5 der Wertung.
Losgelöst von den individuellen Statistiken ist auch sein Einfluss auf die Team-Verteidigung der Ulmer enorm: Mit ihm auf dem Parkett spielt Ulm seine beste Defense, lässt 98,8 Punkte pro 100 Ballbesitze zu. Lässt Coach Leibenath ihn auf der Vier spielen, ist die Team-Defense mit 96,9 Punkten pro 100 sogar noch effizienter.
Von seiner Athletik profitiert Theis aber nicht nur defensiv beim Block und im Rebound, sondern auch offensiv beim Abschluss am Ring. Außerdem übernimmt er einen Part, der durch Bryants Abschied wegfiel: Er wirft knapp doppelt so viel von Außen wie noch im letzten Jahr, trifft dabei allerdings nicht mehr so sicher. Bringt Leibenath ihn auf Center, verteidigt Ulm nur noch knapp über ihrem Durchschnitt, dafür legen sie ihre effizienteste Offense aufs Parkett. Und trotz der geringen Körpergröße in diesen kleinen Aufstellungen reboundet Ulm offensiv wie defensiv besser als der Gegner.
Ulm-Lineups | OffRtg | DefRtg | NetRtg | OREB% | DREB% | TREB% |
mit Theis auf C | 115,4 | 105,1 | 10,3 | 37,3 | 72,1 | 55,8 |
mit Theis auf PF | 104,3 | 96,9 | 7,4 | 32,8 | 70,8 | 51,9 |
ohne Theis | 112,4 | 106,4 | 6,1 | 31,7 | 69,5 | 50,9 |
Der Anführer
Wenn ihn Dopingproben oder körperliche Beschwerden nicht gerade aus seinem Rhythmus reißen, spielt Per Günther auch in dieser Saison wieder sehr soliden Basketball. Zwar teilt er sich die Starter-Rolle seit ein paar Wochen mit Edgar Sosa, seiner Produktion hat das aber keinen Abbruch getan.
Denn auch ohne seinen kongenialen Partner Bryant und das blinde Verständnis, das die beiden über die Jahre entwickelt haben, ist Günther erneut Ulms bester Vorlagengeber. Verändert hingegen hat sich seine Wurfauswahl: Vielleicht sind es die Beschwerden im Knie, vielleicht eine Anweisung des Coaches, vielleicht der fehlende Platz in der Zone, für den Bryant mit seinem Dreier gesorgt hat, auf jeden Fall schließt Günther seltener am Korb ab und hat stattdessen schon jetzt knapp 40 Dreipunktwürfe mehr genommen als in der letzten Saison. Seine Quote steht dabei noch immer bei starken 45,5 % und damit nur knapp unter Vorjahresniveau.
Auf 100 Ballbesitze produziert Ulm mit Günther 9,1 Punkte mehr als der Gegner. In Bamberg und München läge das irgendwo im Mittelfeld, in Ulm ist es teamintern der zweitbeste Wert. Vor allem offensiv läuft das Spiel besser. Mehr Korbvorlagen, weniger Turnover, bessere Quoten, vor allem aus dem Dreipunktland.
Was nicht so läuft
Der Defensiv-Rebound. Knapp über 70 % aller gegnerischen Fehlwürfe greift Ulm bisher ab, das ist Ligadurchschnitt und immerhin Platz 9. Betrachtet man nun aber die Punkte, die Ulm nach Offensiv-Rebounds zulässt, so rutschen sie ganz schnell ans Ende der Tabelle. 114,9 Punkte kassieren sie pro 100 Ballbesitze, in denen sie dem Gegner einen Offensiv-Rebound erlauben; nur Tübingen verteidigt zweite Chancen noch schlechter.
Aber auch die zweitbeste Offensive der Liga hat natürlich ihre Schwachstellen. Wie schon erwähnt, teilen sich Edgar Sosa und Per Günther den Spielaufbau. Für sich machen das beide auch sehr gut, stehen sie aber zusammen auf dem Feld, gerät die Offensive leicht ins Wanken.
Viel Gewicht darf man den Zahlen nicht zukommen lassen, denn Leibenath ließ die beiden erst knapp 85 Minuten gemeinsam auf die gegnerischen Guards los. Der Trend sieht allerdings wenig vielversprechend aus: Über 40 % der Würfe sind Dreier, die Quoten fallen deutlich. Weniger Assists, mehr Turnover und zu wenig Rebounds. Einzig ein hohes Freiwurf-Volumen hält das Offensiv-Rating in der Balance.
x-Faktor: Transition Defense
Gut, Transition Defense beinhaltet mehr, als einen Blick auf die Punkte nach Ballverlusten zu werfen. Es ist aber ein Anfang und zumindest defensiv schneidet Leibenaths Team hier sehr gut ab.
Das offensichtlich beste Mittel ist es, den Ball gar nicht erst zu verlieren, und das können nur drei Teams noch besser als Ulm. Verlieren sie ihn doch, so lässt Ulm mit 100,3 Punkten pro 100 Ballbesitzen (nach eigenem Turnover) nur knapp mehr zu als Berlin und Bamberg. Nach Steal der Gegner, also im Fastbreak – und da wären wir dann bei der Transition Defense – sind es 113,4 Punkte pro 100, ligaweit der fünftbeste Wert.
Erlaubte Punkte nach Ballverlusten | Gesamt | Rang |
Live-Ball |
Rang |
Dead-Ball | Rang |
Ulm | 100,3 | 4. | 113,4 | 5. | 91,1 | 4. |
Liga-Schnitt | 105,9 | – | 118,7 | – | 97,8 | – |
Mit Bayern trifft Ulm im Halbfinale auf die beste Transition-Offense der Liga. Wenn sie diese nicht ins Laufen kommen lassen und dazu die sicher ordentliche Portion frenetischer Unterstützung der heimischen Zuschauer nutzen können – wer weiß, vielleicht kann der Pokal für Ulm tatsächlich zum Highlight der Saison werden.