„Es ist jetzt meine achte oder neunte Saison in der BBL,“ lacht Konrad Wysocki im Telekom-Basketball-Podcast. „Und es fängt jedes Mal wieder von vorne an.“ Wy-so-tz-ki? Wy-sok-ki? In Polen ersteres, in Deutschland letzteres. Beides ist möglich. Punkt.
Mit der „achten oder neunten“ Saison in der Basketball-Bundesliga liegt er leicht daneben, zumindest genau genommen. Zugegeben: Es ist seine achte im deutschen Profibasketball, aber erst seine sechste in dessen Oberhaus. Geschenkt, Wysocki gehört zum Inventar: 2006 spielte er mit Ulm erstmals BBL-Basketball, vor ziemlich genau neun Jahren. 14 Akteure von damals sind heute noch in der Bundesliga aktiv, er ist einer davon. Und darf deswegen definitiv als Ligaurgestein gelten … trotz seiner vier Auslandsjahre.
Vom polnischen Mittelfeldteam Anwil Wloclawek kehrte der ehemalige Student der Elite-Uni Princeton vor der laufenden Spielzeit zurück nach Deutschland. Hier kämpft er als Veteran bei den Crailsheim Merlins erstmals in seiner Karriere „nur“ um den Klassenerhalt. Im völlig neuformierten Team nimmt er dabei nicht nur als Führungsspieler, sondern auch als Leistungsträger eine tragende Rolle ein – gerade letzteres war nicht unbedingt absehbar.
Deutsche Verstärkung
Wysocki ist sowas wie das Gesicht des Teams, die Identifikationsfigur. Und steht dabei stellvertretend für einen radikalen Umbruch bei den Hohenloher Franken. Gerade die Erfahrung war den Merlins vergangene Saison stark abgegangen; nur deswegen konnte sich ein offensiv limitierter Jannik Freese so in den Vordergrund spielen, dass Alba ihn im Januar nach Berlin lotste. Jonathan Moore, Joshiko Saibou und Alexander Kronhardt hießen neben ihm die deutschen Leistungsträger, Alassane Diobaté und Maximilian Rockmann erfüllten die Quote. Auf seine Art und Weise war jeder von ihnen wichtiger Bestandteil des Teams, keiner aber bereit für eine tragende Rolle bei einem halbwegs erfolgreichen Bundesligisten.
Gleiches galt für die Ausländerpositionen: Der nachverpflichtete Chad Timberlake hatte mal eine Saison beim Mitteldeutschen BC verbracht, mehr allerdings war nicht zu holen in punkto BBL-Erfahrung. Also stiegen die Crailsheimer wieder ab, zumindest sportlich. Dank dem Rückzug der Artland Dragons und einer gekauften Wildcard hielten sie letztendlich aber doch die Klasse. Und wollen ihre zweite Chance nun nutzen.
Neben Wysocki sorgt auch Patrick Flomo für die nötige Abgebrühtheit auf den deutschen Positionen. Beide haben zu verschieden Punkten in ihrer Karriere in John Patricks Defensivsystem funktioniert – für die schwächste Verteidigung der vergangenen Saison ein wichtiger Baustein. Zu ihnen gesellte sich Adam Chubb: kaum ein Edelverteidiger, aber mit über 300 BBL-Spielen eine Bereicherung für jedes Team und offensiv in Korbnähe wie aus der Halbdistanz noch immer eine Macht … Das ist ein starker Kern von Veteranen, gerade im Abstiegskampf. Oder wohin auch immer es für diese Merlins gehen kann.
Natürlich, für eine abschließende Bewertung ist es viel zu früh. Dennoch, das Auftaktprogramm der Merlins hatte es in sich: Bonn, Bamberg, Alba, Ulm – vier der besten fünf Teams der vergangenen Hauptrunde. Viele Teams hätten hier vier Spiele abgegeben und dennoch kaum den Glauben verloren. Drei zu Hause, okay. Aber gegen die Topteams werden im Tabellenkeller Heim- wie Auswärtsniederlagen kategorisch einkalkuliert. Dass Crailsheim gleich zwei der vier Spiele gewinnen konnte hingegen, sorgte für kollektives Augenreiben.
Zweitbester Scorer und Rebounder, drittbester Vorlagengeber im Überraschungsteam? Natürlich Konrad Wysocki. Das letzte Mal, dass er in der BBL 15 Punkte pro Spiel aufgelegt hat war … noch nie. Das liegt natürlich an der kleinen Anzahl von Spielen – sein Schnitt wird sich höchstwahrscheinlich nicht auf diesem Niveau halten. Zum Vergleich: 2014/15 erzielten ligaweit nur vier Akteure einen ähnlichen Punkteschnitt. Es hat aber auch mit seiner neuen Rolle zu tun, die Wysocki blendend annimmt und in der er mit offensichtlich jeder Menge Spaß (tatsächlich: Er lacht auf dem Parkett unglaublich viel) das Karriereende noch eine Weile herauszögern kann. Ein Ende einer letztlich langen Karriere, die so eigentlich gar nicht geplant war.
Andere Pläne
Denn nach einer basketballerisch unbefriedigenden Zeit am Ivy-League-College in Princeton landete Wysocki 2004 eher zufällig in Göttingens Zweitligakader. Blieb dann aber irgendwie dabei. 2005 wechselte er an die Seite von Lucca Staiger und Nicolai Simon nach Ehingen, auch hier dachte er noch, er würde bald wieder gen US-Ostküste abwandern – nicht auf dem Parkett, sondern als Architekt wollte er sich dort verwirklichen.
Er bat Ehingens Headcoach Ralph Junge auch schnell wieder um Freigabe … nicht allerdings, um auszuwandern. Stattdessen landete er bei Ratiopharm Ulm, die 2005 ebenfalls noch zweitklassig spielten. Unter Headcoach Mike Taylor gelang der Aufstieg, der eben noch angehende Architekt war plötzlich Profibasketballer. Und der Weg ging weiter. In Ulm wuchs Wysocki zum gestanden Bundesliga-Profi, wurde begünstigt durch eine Verletzung von Ademola Okulaja sogar Nationalspieler und fand sich plötzlich unverhofft bei Olympia wieder. 2008, Peking, Dirk Nowitzki als Fahnenträger – Konrad Wysocki war dabei.
Aus Chinas Millionen- ging es dann in Deutschlands Mainmetropole: Ein Jahr Frankfurt, bester deutscher Rebounder der Liga. Etwas überraschend allerdings keine Vertragsverlängerung. Also zurück ins Heimatland: Im Sommer 2009 schloss sich der damals 27-Jährige Turow Zgorzelec an, wo ein gewisser Sasa Obradovic gerade als Headcoach verpflichtet worden war. Drei Jahre, zwei im Eurocup, zwei als Kapitän. Mit Auslandserfahrung nach Oldenburg, hier war Sebastian Machowski gerade als neuer Trainer vorgestellt wurden. Zwei durchwachsene Jahre. Also erneut zurück ins Heimatland. Anwil Wloclawek, diesmal unter Predrag Krunic. Wieder Führungsspieler, 32 Minuten im Schnitt, viertbester Rebounder der Liga.
Und jetzt eben Crailsheim. Bei den EWE Baskets kam er als Energizer von der Bank, als Backup auf Small und Power Forward. Er sollte Rebounds holen und den freien Dreier nehmen. Bei den Merlins hingegen wurde er als Spieler für die Positionen Vier und Fünf angekündigt, von Small Forward bis Center ist bei Wysocki also alles dabei in einer vermeintlich kleiner werdenden Liga. Tatsächlich spielt Wysocki zu Saisonbeginn hauptsächlich auf der Drei, startet zumindest da. Und ist hingegen des überall beschworenen Smallball-Trends gerade auf dem Flügel ein wandelndes Mismatch für alle Gegenspieler.
Denn nach BBL-Maßstäben ist Wysocki bei 2,02 Metern ein großer Außenspieler. Jon Brockman spielt in Ludwigsburg mit 2,01 Meter ausschließlich Center, Raymar Morgan in Ulm mit 2,03 Meter hauptsächlich. Auf der anderen Seite sind überwiegend reine Dreier wie Rickey Paulding in Oldenburg oder Larry Gordon in Bremerhaven mit 1,96 Meter deutlich kleiner als Wysocki. Das macht er sich zunutze.
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