Caloiaros MVP-Case

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Gib einer Liga, die auf den großen Positionen noch immer zu wenig Qualität aufzuweisen hat, einen körperlich weit überlegenen Center, der unter dem Korb kaum zu stoppen ist, dem man bis an die Dreierlinie folgen muss und der defensiv durch seine schiere Masse jeden Wurf verändert… und dein MVP ist schnell gefunden. Zwei Jahre in Folge gab es wenig Zweifel daran, dass John Bryant in Ulm der wichtigste Spieler der Liga ist.

In diesem Jahr – in München nicht in der Bedeutungslosigkeit verschwunden, in die ihn viele reden wollen, aber einer unter vielen – ist Bryants Präsenz nicht mehr so unverzichtbar. Das ruft in einer Liga, die immer mehr nationale wie internationale Talente lockt, neue Spieler auf den Plan, die in der diesjährigen MVP-Diskussion das ein oder andere Wörtchen mitreden wollen.

Bei den Bayern ist es Malcolm Delaney, der – bei weitem nicht über jeden Zweifel erhaben – ein (wackliger) Kandidat ist, Bryant zu beerben. Deon Thompson spielt eine Rolle, hat aber wie Nihad Djedovic bisher nur 12 Partien bestritten. In Bamberg spielt Anton Gavel eine erneut starke, aber weniger beachtete Saison. Der nachverpflichtete D’Or Fischer würde sich hier stärker aufdrängen, wäre er mit Bamberg in die Saison gestartet. Oldenburg hat in Rickey Paulding und Julius Jenkins zwei Akteure, die zwar in die Diskussion gehören, aber momentan wohl keine größere Rolle spielen würden; dafür fehlt Oldenburg die Beachtung und in letzter Zeit auch die sportliche Überlegenheit. In Berlin gewann man gerade 17 Spiele in Folge, Radosevic allerdings plagt sich zu oft mit Verletzungen, als dass er seine Ausnahmestellung manifestieren könnte. Über Logan wird zu viel geredet, über Redding zu wenig. Und sowieso: In der Hauptstadt ist die Verteidigung der Star. In Bonn wiederum muss sich erst zeigen, wohin der Weg geht, bevor Jared Jordan wie in jedem Jahr ein ernsthafter Anwärter ist – verdient hätte er es mittlerweile allemal. Und Ulm? Keine Chance.

Tiefe Bänke, massig individuelle Klasse, viele Teams mit vielen Führungsspielern. Hier wird man die Namen finden, die die Journalisten in den Topf werfen. Nur gibt es in jedem Team mindestens zwei Nominierte.

Sollte der Mitteldeutsche BC aber die Playoffs erreichen – und momentan trennen sie nur zwei Siege von Platz 8 – so kann in diesem Zusammenhang nur ein Name fallen: Angelo Caloiaro.

Der 24-jährige amerikanische Power Forward mit italienischen Wurzeln war mit vielversprechenden Zahlen und einer All-Conference-Team-Nominierung (neben Elias Harris von den Brose Baskets) von der University of San Francisco für seine Rookie-Saison nach Europa gegangen. In Bulgarien hat er nicht nur erste Erfahrungen im Profibasketball gesammelt, sondern auch gleich gute Allround-Werte aufgelegt.

So wurde man dann auch beim MBC auf ihn aufmerksam. Nach einem soliden ersten Jahr im Basketball-Oberhaus stand Weißenfels im Sommer ein Umbruch ins Haus, der die Erstligazugehörigkeit des Clubs zementieren sollte. Neben der Verpflichtung von Caloiaro kam in Adonte Parker der letztjährige Spieler des Jahres und Topscorer der ProB zum MBC, in Hrjove Kovacevic verpflichtete man einen zweiten scorenden Guard, für den Flügel kam Michael Cuffee aus Nordeuropa nach Ostdeutschland und unter dem Korb sollte der 22-jährige Litauer Martins Meiers hinter Djordje Pantelic für Entlastung sorgen.

Im weiten Feld der anonymen Neuen machte sich Caloiaro schon in der Vorbereitung einen Namen, kam vorerst noch von der Bank, steigerte sich aber schnell von 19 Minuten im ersten auf 34 Minuten im zweiten Spiel. Folgerichtig stand er am dritten Spieltag in Trier erstmals in der Startformationen und kommt mittlerweile auf 16 Starts in 20 Spielen. Nur zwei Mal blieb er dabei unter zehn Punkten, kann auf vier 20-Punkte-Spiele und drei Double-Doubles verweisen. Mit 19,4 Effektivitätspunkten führt er in dieser Kategorie die Liga an.

Caloiaro hebt die Offensive der Weißenfelser auf ein ganz anderes Level (meist als Forward, seltener als Center). Das Offensiv-Rating steigt pro 100 Ballbesitzen von 91,0 Punkten ohne ihn auf 106,0 mit ihm auf dem Parkett. Im Ligavergleich ist das kein Spitzenwert, allenfalls Durchschnitt, die 91,0 Punkte allerdings sind jenseits von Gut und Böse. Und für den MBC macht es offensichtlich einen Unterschied, ob sie – runtergebrochen auf ein Spiel – elf Punkte mehr oder weniger erzielen. Mit mehr als sieben Punkten Differenz jedenfalls konnten sie nur gegen Ludwigsburg gewinnen.

Natürlich spielt Caloiaro 31,5 Minuten pro Spiel, 19 Aufstellungen warf Trainer Silvano Poropat bisher für mindestens zehn Minuten in den Ring, Caloiaro stand in 15 davon. Werte von Formationen ohne ihn verzeichnen also wenig Spielzeit und bieten somit auch weniger interpretationsfähigen Inhalt. Aber auch das ist ein Argument für die herausragende Stellung, die der Forward in Weißenfels genießt.

Seine Usage-Rate liegt bei 23,9 %, fast jeder vierte Ballbesitz endet damit in seinen Händen. Zweifelsohne eine hohe Zahl, doch bei nur einem Ballverlust pro Spiel und starken Wurfquoten (65,7 % unter dem Korb, 50,0 % aus der Mitteldistanz) nutzt er diese Ballbesitze sehr effizient. Er zieht mehr Fouls als alle seine Mitspieler (4,2 pro Spiel) und geht bisher 5,8 Mal an die Linie; nur drei Spieler gehen diesen Weg ligaweit noch öfter.

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Caloiaros Feldwurfquoten (Stand: Feb. 12, 2014)

Zudem ist er nicht die One-Man-Show, die den Ball um jeden Preis im Korb unterbringen will, sondern kreiert für seine Mitspieler. Starke 16,1 % der Treffer seiner Kollegen bereitet Caloiaro vor, während er auf dem Feld steht. Kein anderer Power Forward in der Beko BBL erreicht einen so hohen Wert. Er zieht aus dem Pick and Roll oder der Isolation zum Korb, sucht den freien Mann an der Dreierlinie und findet dort Parker, Kovacevic oder Schwarz, von deren Dreiern er bisher knapp ein Viertel vorbereitete (24 von 107).

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Caloiaros Assists nach Ort und Mitspieler, der den Angriff abschloss (Stand: Feb. 12, 2014)

Defensiv foult er nur, wenn er muss, scheint aber gelegentlich noch etwas zu spät beim Rotieren und ist kein Shotblocker. Vor allem am defensiven Brett ist allerdings Verlass auf ihn: 22,2 % der verfügbaren Defensivrebounds greift er ab; auf seiner Position bewegen sich sonst nur Würzburgs Maxi Kleber, Braunschweigs Harding Nana und Quakenbrücks Lawrence Hill auf ähnlich hohem Niveau.

Neben der defensiven Feinabstimmung gibt es auch offensiv noch Luft nach oben. 31,5 % trifft Caloiaro von hinter der Dreipunktlinie (23 von 73, 22 mit Assist, einer aus dem Dribbling), ein ordentlicher, aber nicht überragender Wert. Am offensiven Brett greift er in seiner Spielzeit zudem gerade mal knappe 6 % der verfügbaren Rebounds, auch dieser Aspekt ist definitiv ausbaufähig.

Viel wird aber ohnehin nicht von seiner persönlichen Entwicklung, sondern vom weiteren Verlauf der Saison der Weißenfelser abhängen. Die großen Teams bekommen auch die große mediale Aufmerksamkeit. Ebenso, wer auf deutsche Spieler baut. Der MBC passt weder in das eine, noch in das andere Schema. Nicht zuletzt der Finals-MVP für Anton Gavel im letzten Jahr hat gezeigt, wie wichtig es ist, sich Präsenz im kollektiven Journalisten-Gedächtnis zu verschaffen.

Außerdem wird an Caloiaro nur ernsthaft ein Gedanke verschwendet, wenn er den MBC in die Postseason führt. Hier aber wird es sehr eng. Zwischen Platz 6 und Platz 12 liegen momentan nur drei Siege, neben Bonn und Ulm werden auch Ludwigsburg und Frankfurt ein Auge auf die Playoffs werfen. Hagen schwächelt, hat aber ebenso noch Chancen, den Coup der Vorsaison zu wiederholen.

Die Leistungsdichte in der Liga jedenfalls ist in dieser Saison erneut gewachsen. Im Mittelfeld wie in der Spitze. Bei den Playoff-Teams tummelt sich viel Talent, die individuelle Klasse in der Leistungsspitze ist hoch wie nie.

Aber Angelo Caloiaro sollte mit ihnen da oben stehen. Mit Gavel, mit Delaney, mit Logan. Oder sie alle mit ihm.

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