Alba Berlin gegen ratiopham Ulm. Im letzten Jahr hätte man guten Gewissens Geld auf ein Weiterkommen Ulms setzen können. In diesem Jahr sollte man nicht gegen Alba wetten – egal in welcher Runde. Drei Mal kam es in dieser Saison zum Aufeinandertreffen zwischen den beiden Teams, drei Mal behielten die Hauptstädter die Oberhand.
Wer sich an die Bilder des enttäuschten Per Günther nach dem verlorenen Pokal-Finale erinnert, der kann sich aber sicher sein, dass Ulm den Kampf erneut mit voller Motivation annehmen wird. Klar, John Bryant ist Geschichte, aber den Berlinern fehlt Leon Radosevic. Alles auf null also?
Der Verlust von Radosevic ist natürlich ein herber Schlag für die Berliner, fungiert er doch als defensiver Anker in der besten Verteidigung der Liga. Offensiv ist er aus (fast) allen Lagen gefährlich, reiht sich zudem in die diesjährige Riege der Alba-Big-Men ein, die alle erstaunlich gut passen können. Ob Alba-Coach Sasa Obradovic den Ausfall kompensieren kann, wird sich erst zeigen.
Ulms Stärken: Günther und Theis
Denn was für Berlin in dieser Hinsicht tatsächlich zu einem mittelschweren Problem werden könnte, ist Daniel Theis unglaubliche Athletik. Gerade ihm, der offensiv oft auch als „Stretch-Four“ agiert, würde Radosevic mit seiner Physis unter dem Korb einiges entgegensetzen. Oder andersherum: Ohne Radosevic könnte Daniel Theis, kürzlich zum besten Nachwuchsspieler gekürt, Albas Big Men vor schwerlösbare Aufgaben stellen. Levon Kendall ist ein guter Post-Verteidiger, wohl aber etwas zu langsam, um Theis im Eins-gegen-Eins vor sich zu halten. Vermutlich wird aus diesem Grund oft Alex King, ab und zu Sven Schultze gegen Theis verteidigen. Aber egal, wie diese Serie ausgeht, Ulms Nummer zehn wird auch in den Playoffs regelmäßig durch die „Highlight-Reels“ der Beko BBL fliegen.
Dass Per Günther gegen Alba scoren kann, hat er im Pokalfinale bewiesen, als er für 25 Punkte in 27 Minuten explodierte. Dass Albas Guards ihn verteidigen können, zeigten wiederum die beiden Hauptrundenbegegnungen der Teams. Per Günther ist aber so viel mehr für Ulm, als nur ihr zweitbester Scorer. Er bestimmt das Tempo, schafft die Räume, spielt die Pässe und – Phrasenschweinalarm – macht seine Mitspieler besser. Gut, dass die Hauptstäder den „Defensive Player of the Year“, Cliff Hammonds, auf ihn ansetzen können.
Berlins Stärken: beste Verteidigung, flexible Offensive
In Albas Verteidigung leistet jeder seinen Teil, aber Hammonds sticht heraus. Wenn die Gegner ihm körperlich nicht zu sehr überlegen sind, kann er jeden verteidigen (und tut es auch). Offensiv stellte er seine Stärken eher in der Spielgestaltung als im Abschluss unter Beweis. Im letzten Saisonspiel gegen Bayern allerdings fing er plötzlich an, verrückte Fade-aways aus der Halbdistanz zu nehmen. Klar, wenn sie reingehen, kocht die Halle. Aber warum die ganze Saison durch intelligente Wurfauswahl glänzen, um dann in der entscheidenden Phase die wilden Dinger zu nehmen? Hoffentlich nur eine Momentaufnahme.
Denn offensiv hat Alba eigentlich ganz anderes zu bieten. Reggie Redding als nach wie vor legitimer MVP-Kandidat, David Logan, der immer heiß laufen kann, Jan Jagla, der nicht nur die offensiven Bretter bearbeitet wie kein zweiter im Team, sondern auch noch lässige 43 Prozent von hinter der Dreierlinie trifft. Alles gut in Berlin.
Einziges Manko vielleicht: die Ballverluste. Für ein Team wie Ulm, das das Spiel gerne schnell macht (nur Hagen und Vechta pressten diese Saison mehr Ballbesitze in die 40 Minuten Spielzeit), sind Turnover im Spielaufbau natürlich ein gefundenes Fressen. Günther, Will Clyburn, Cam Long (wenn er denn rechtzeitig fit wird) – Ulm hat genügend schnelle Spieler, die unnötige Ballverluste in einfache Punkte umwandeln können.
Auch Albas Dreier spielt über die Saison gesehen keine große Rolle. Nur zwei Teams nehmen einen noch kleineren Teil ihrer Würfe von jenseits der Dreierlinie, die Wurfquote der Hauptstädter aus dieser Distanz liegt auf Höhe des Ligadurchschnitts. Ulm allerdings hat von außen so viel zugelassen, wie sonst nur Frankfurt, was wiederum Logan und Jagla zu Gute kommen könnte.
Allgemein hat Ulm dieses Jahr keinen überragenden Defensiv-Basketball gezeigt; das ist aber nichts Neues. Mit 112,2 Punkten pro 100 Ballbesitzen suchen sie ihr Glück eher in der Offensive. Wie sie allerdings ihr schnelles Umschaltspiel gegen Berlins konzentrierte Defensive durchbringen, wird sich zeigen. Auch die Ballverluste, die Ulm über die gesamte Saison gut kontrollieren konnte, werden sich gegen Albas Presse häufen – kein Team forciert mehr Turnover als die Berliner.
Prognose
Das diesjährige Alba-Team, das vor der Saison komplett neu zusammengestellt wurde, kassierte als einziges in der Bundesliga weniger als 100 Punkte pro 100 gegnerische Ballbesitze. Offensiv sind nur die Bayern effizienter. Vor kurzem warf Simon Jatsch die Frage auf, ob Alba der beste Drittplatzierte der BBL-Geschichte sei. Das lässt sich schwer messen, augenscheinlich ist aber viel dran.
Trotzdem werden sie mit Ulm ihre Probleme haben. Viel Pick-and-Roll zwischen Günther und Theis für viele Punkte gegen die beste Verteidigung der Liga. Der Autor meint: Ulm gewinnt beide Heimspiele, Alba entscheidet die Serie aber am 21. Mai vor eigenem Publikum für sich.
Alba in fünf.
Anmerkung: Den Artikel habe ich für CROSSOVER geschrieben, wo er dementsprechend auch als erstes erschienen ist. Wie immer besten Dank dafür! Direktlink hier.