Playoffs 2014: Rückblick Alba-Ulm

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In den Playoffs wird die Uhr auf Null gestellt. Eine gute Hauptrundenplatzierung verspricht Heimrecht und einen vermeintlich schwächeren Gegner in der ersten Runde. Dass sie allerdings nicht automatisch ein erfolgreiches Abschneiden im Viertelfinale verspricht, konnten die siebtplatzierten Artland Dragons gerade erst gegen die favorisierten Bamberger zeigen. Vier Spiele haben die Dragons gebraucht, um den Serienmeister in den frühen Sommerurlaub zu schicken. Denn in den Playoffs geht es nur um Matchups. Natürlich gibt man seine Philosophie nicht auf, aber wer in der Postseason erfolgreichen Basketball spielen will, muss den Mut haben, neue Wege zu gehen. Den Gegner mit taktischen Kniffen überraschen und bereit sein, auf das zu reagieren, was der gegnerische Trainer serviert.

Das galt im Speziellen für Alba Berlin, das ohne den verletzten Center Leon Radosevic in die Viertelfinalserie gegen Ulm starten musste. Ohne Radosevic fehlte Alba nicht nur der defensive Rückhalt unter dem eigenen, sondern auch ein wichtiger Unruheherd unter dem gegnerischen Korb. Radosevic sollte schon im zweiten Spiel zurückkehren, nach seiner Verletzung aber verständlicherweise nicht sofort wieder den Part übernehmen, den er zuvor innehatte.

Offensiv scorte Alba mit 114,9 Punkten pro 100 Ballbesitzen ziemlich genau auf dem Niveau der Hauptrunde. Eine leichte Veränderung im Vergleich zur Regulären Saison zeigte sich aber in Albas Wurfauswahl. Das ganze Jahr über hielten die Berliner ihren Output von hinter der Dreierlinie gering, nur zwei Teams nahmen noch weniger ihrer Würfe aus der Distanz. Ohne Radosevic allerdings fehlten Alba mehr als acht Wurfversuche pro Spiel, die meisten direkt unter dem Korb. Diese Versuche mussten natürlich neu verteilt werden. Das übernahmen vor allem Jan Jagla  und David Logan. Und da beide ausgezeichnete Dreipunktschützen sind, wurde der Ball seltener unter den Korb gebracht und häufiger von außen geworfen. „Das war nichts, was wir uns vorgenommen hatten,“ sagt Cliff Hammonds. „Ulm verschwand oft unter den Blöcken und gab uns so offene Würfe.“ Offene Würfe, die Berlin mit einer Quote von 40 % bestrafte. Diese Taktik der Ulmer ging also nicht unbedingt auf.

Ein weiterer Faktor der offensiven Überlegenheit waren die vielen zweiten Chancen, die Berlin sich erarbeiten konnte. Als eines der besten Offensivrebound-Teams der Liga wussten die Albatrosse die Schwäche der Ulmer am defensiven Brett zu nutzen. „Offensivrebounds sind mit einer Menge Hingabe verbunden,“ weiß auch Jan Jagla. Und für diese Hingabe war sich Alba im Viertelfinale nicht zu schade: 32,2 % der eigenen Fehlwürfe griff Berlin ab; Ulm kam zum Vergleich auf gerade mal 26,7 %.

Dass Jagla selbst ein motivierter Arbeiter am offensiven Brett ist, hat er vor allem in der so wichtigen ersten Begegnung gezeigt. Nicht zuletzt durch seine vier Offensivrebounds, die er allesamt in Punkte umwandelte, hielt er Alba nach nervösem Beginn im Spiel, um in der zweiten Hälfte den Deckel draufzumachen. „Natürlich ist das was, auf das man stolz ist,“ bemerkt er, angesprochen auf seine Stärke in diesem Bereich.

Abgesehen von Spiel Drei, in dem für Alba einfach gar nichts fallen wollte, haben die Berliner durch starke Wurfquoten überzeugt. Und durch mannschaftliche Geschlossenheit. Neben seinem starken Auftritt in Spiel Eins avancierte Jagla zum besten Rebounder der Serie (18 % aller in seiner Spielzeit verfügbaren Rebounds hat er gegriffen; Ulms Daniel Theis kam auf 17 %). Levon Kendall machte in Spiel Zwei und Drei aus gerade mal 18 Würfen 41 Punkte. Dazu kamen David Logan, der im entscheidenden Spiel Vier von außen heißlief, oder Sven Schultze, der frisch von der Bank kommend zwei Dreier einnetzte und die Max-Schmeling-Halle zum Kochen brachte.

Die Serie gegen Ulm hat allerdings auch aufgezeigt, dass selbst die stärkste Verteidigung der Liga nicht auf jede Frage eine Antwort findet. Gerade einmal 98,2 Punkte pro 100 Ballbesitzen ließ Alba in der Hauptrunde zu, mit Abstand Ligabestwert. Im Viertelfinale waren es 108,0 Punkte.

„Wie zufrieden waren Sie mit der Pick-and-Roll-Verteidigung Ihres Teams in der Serie gegen Ulm,“ fragte ein Journalist jüngst Albas Coach Sasa Obradovic und legte damit einen Finger in die Wunde. Denn Ulm hatte ab der ersten gespielten Minute merklich nur ein Ziel: die verletzungsgeschwächte Frontline der Albatrosse zu attackieren. Immer und immer wieder liefen Per Günther oder Edgar Sosa ihre hohen Pick-and-Rolls, aus denen heraus sie oft erschreckend einfache Punkte generierten. Entweder selbst im Drive oder nach Pass auf den abrollenden Screener; vor allem der kantige Trent Plaisted wusste Radosevic‘ Abwesenheit in Spiel Eins zu bestrafen. „Wir haben in der Tat ein wenig unter Ulms Pick-and-Roll gelitten,“ muss Obradovic eingestehen, fügt aber hinzu, dass man „selbst, wenn man alles richtig macht, nicht immer eine Antwort finden kann.“

Und auch auf Daniel Theis hatten die Berliner über weite Strecken keine Antwort parat. Gut 117 Minuten stand der athletische Power Forward insgesamt auf dem Parkett; es wären noch mehr geworden, hätte er im ersten Spiel nicht früh schon mit Foulproblemen zu kämpfen gehabt. In dieser Zeit erzielte Theis knapp ein Drittel aller Ulmer Punkte und ging so oft an die Linie wie kein anderer Spieler in der Serie. Vor allem aber defensiv funktionierte Ulm mit ihm sehr gut, ließ gerade mal 86,6 Punkte pro 100 Ballbesitze zu. Theis ist der einzige Ulmer, in dessen Spielzeit die Donaustädter mehr Punkte erzielten als die Berliner.

Nicht nur für Theis allerdings, sondern für das ganze Ulmer Team wurde das Spiel von der Freiwurflinie zu einem bestimmenden Faktor in der Offensive, konnten sie doch immer wieder in die freien Räume penetrieren. Einfache Punkte mit Fouls zu verhindern, ist natürlich gerade in den Playoffs ein probates Mittel. Alba allerdings ermöglichte es Ulm, so oft an die Linie zu gehen wie kein anderer Viertelfinalist. Auf 113 Freiwurfversuche können sie in den vier Spielen verweisen, in jedem vierten Angriff nahmen sie quasi die Chance auf zwei einfache Punkte mit. Damit einher gingen Foulprobleme für Alba, vor allem für Kendall, der den Ring für den Großteil der Serie ohne Radosevic gegen die Ulmer Offensivwellen verteidigen musste. Da Ulm die eigenen Freiwürfe auch noch sicher verwandelte (81 %), erzielten sie fast ein Drittel ihrer Punkte von der Linie. Die Berliner hingegen zogen weniger Fouls für deutlich weniger Freiwürfe, die sie deutlich weniger sicher verwandelten (66 %).

„Wir werden unsere Pick-and-Roll-Verteidigung anpassen,“ prophezeit Jan Jagla jedenfalls zuversichtlich. Und wenn hier die defensiven Schwächen in der Serie gegen Ulm lagen, so haben sie ja auch einiges richtig gemacht. Die 108,0 erlaubten Punkte pro 100 Ballbesitze liegen unter Albas Saisondurchschnitt, rangieren aber im Vergleich der Playoffteams immerhin an vierter Stelle hinter den Teams aus Bonn, Oldenburg und München. Sehr erfolgreich hat Alba den Ulmern vor allem ihr Dreipunktspiel genommen; ein Aspekt, der mit Blick auf die Serie gegen Artland einen hohen Stellenwert besitzt. Zudem ist Ulm seit Jahren eines der schnellsten Teams der Liga. Die Berliner allerdings schafften es, den Ulmern ihre Fastbreaks zu nehmen und sich von ihrem mitunter wilden Spiel nicht nervös machen zu lassen.

Die Dragons hingegen sind ein sehr diszipliniertes Team. Gegen Bamberg verloren sie nur selten den Ball, oft opfern sie den Offensivrebound, um stattdessen früh ihre Verteidigungsposition einzunehmen. „Sie spielen sehr kontrolliert,“ weiß auch Coach Obradovic. „Eine aggressive Defense, die keine einfachen Punkte zulässt und jeden Fastbreak zur Not mit Fouls zu stoppen versucht.“

Die Dragons spielen langsam, geduldig und konzentriert. Gegen Bamberg ging fast 70 % aller Körbe der Dragons ein Assist voraus; mit Abstand höchster Wert in den Playoffs und ein Anhaltspunkt dafür, wie gut sie den Ball laufen lassen. Und wer den freien Mann sucht, findet die offenen Würfe. Eine herausragende Quote aus dem Dreipunktland (42,7 %), zwei sich gut ergänzende Center unter dem Korb und ein David Holston, der Spiele im Alleingang entscheiden kann. Am Dienstag starteten die Albatrosse mit der Vorbereitung auf die Serie, die am Sonntagnachmittag in der o2 World beginnt. Bis dahin steht den Berlinern noch eine Menge Arbeit bevor.

Anmerkung: Den Artikel habe ich für albaberlin.de geschrieben, wo er dementsprechend auch als erstes erschienen ist. Vielen Dank dafür! Direktlink hier.

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